Erinnerung an Erdbeben der besonderen Art ...

An das Erdbeben kann ich mich auch noch erinnern, das muss sich vor 1989 ereignet haben, irgendwann in der Mittagszeit. Wie immer saßen wir im Roten Saal der Mensa, eine Gruppe angehender SozialwissenschaftlerInnen, und diskutierten das Weltgeschehen. Aus heiterem Himmel kam plötzlich ein dumpfes anhaltendes Donnergrollen, begleitet von einer kurzen Erschütterung - und schon war's wieder vorbei. Nach Gewitter fühlte sich das nicht an. Außerdem hatte das ganze Gebäude gezittert. Was also hatten wir da gerade erlebt? Wir blieben ratlos zurück. Zwar lösten wir täglich beim Mittagstisch die dringlichsten politischen, sozialen und kulturellen Probleme, und das am liebsten gleich im Weltmaßstab, aber vor physikalischen und meteorologischen Phänomenen mussten sogar wir kapitulieren. Also rauchten wir noch eine (Ja, ja, richtig: in den 80ern durfte man in der Mensa noch rauchen!) - und dann ging's zurück in den Turm. Unerwartet herrschte dort aber helle Aufregung: der Turm hatte gewackelt, und alle hatten ihn fluchtartig verlassen und standen nun ziemlich verwirrt draußen auf dem Platz vor den Eingängen. Was war passiert? Und was würde als nächstes passieren?

Falls auch Jüngere diesen Text lesen: Nein, es gab damals noch kein Twitter, kein Internet, und noch nicht einmal Handys. Auch keine digitalen Kameras oder gar Videogeräte, mit denen Geistesgegenwärtige heute erstmal alles dokumentieren, was sie nicht auf Anhieb verstehen können. Wir hatten damals unseren sinnlichen Eindruck im Moment des Geschehens und danach unsere Erinnerung. Und manchmal das Glück, dass zufällig ein Journalist in der Nähe war, der es am Abend mit einem Bericht in die Hessenschau schaffte.

Wir mussten uns vorerst mit der Beschreibung des Erlebten und mit vorläufigen Deutungen begnügen. Eine Sekretärin aus der Soziologie (also schon ganz schön weit oben angesiedelt, ungefähr 25. bis 29. Stock) erzählte, beim ersten Schwanken des Turms habe sie noch gedacht: "Oh, Gott, ich hab' heut morgen wohl vergessen, meine Kreislauftabletten zu nehmen." Aber als ihr dann auch noch ein Aktenordner aus dem Regal entgegen gekommen sei, wären ihr die Kreislauftabletten schlagartig egal gewesen. Nur noch raus hier, war die Devise.

Am nächsten Tag klärten uns die Medien auf: es war tatsächlich ein Erdbeben, ausgelöst durch die Sprengung in einem Kalibergwerk der DDR. Die Seismographen hatten im Rhein-Main-Gebiet eine Erschütterung von 5,4 oder so registriert, aber der Turm stand immer noch. Er hatte also immerhin bewiesen, dass er schwanken konnte, ohne zu stürzen. In der Folge sackte ein Teil seines Fundaments um ein oder zwei Zentimeter ab, fortan lag die eine Hälfte des roten Fliesenbodens im Foyer ein bisschen tiefer als die andere Hälfte - mit bloßem Auge erkennbar. Wer hätte damals gedacht, dass es eines hochqualifizierten Sprengungsteams bedurfte, um ihn zu Fall zu bringen?

Christine Kruse


AfE-Turm Frankfurt-Bockenheim im Crashverfahren (Lyrik)

Zu Beginn der 1970er hochgezogen.
Grau meliert im Uni-Goethe-Areal,
gigantisch hoch
im Innern die Pädagogik, Gesellschaftswissenschaften schmiedend,
ganze Post-68er lehrend-lernend-studierend als Unterkunftsbegehren.
Technikstreikend oben oder nach unten.
Parolen umschlingend im Protest:
Weltveränderungsabsichten, Infragestellung der Gängiglehren, Kritikübungen in Potenzen
und, und, und ...
im Insicheinstürzendem und schaulüstern Flankierendem:
nach Skelettkollaps, Kernfaltung, Reisch-Routine
die Aus und Vorbei-Geschichten
an/nach einem 2. Februar anno 2014, vormittags!

Reinhold Nisch
(29. Januar 2014)


Erinnerungen an recht eigenwillige Aufzüge ...

Ich studiere seit 2009 an der Goethe-Universität Erziehungswissenschaften und hatte auch seit dieser Zeit bis jetzt zum Ende im AfE-Turm Seminare gehabt. Ich mag den Turm sehr und finde es äußerst schade, dass er abgerissen wird. Zu toll waren die Sprüche an den Wänden, und auch an die langen Wartezeiten an den Aufzügen hatte man sich gewöhnt.

Zum Thema Aufzüge fällt mir eine Geschichte ein:
Ich hatte im 25. Stock ein Seminar gehabt. Meistens ging ich schon 10 Minuten früher aus dem Seminar, um zu verhindern, dass ich lange auf einen Aufzug warten musste. Denn wenn um Viertel vor die Seminare alle auf einmal zu Ende gehen, kann man mit langen Wartezeiten rechnen, da jeder in ein anderes Stockwerk kommen möchte. Deshalb ging ich oftmals schon früher, um die 'Rush-Hour' am Aufzug zu umgehen. Jedenfalls bin ich mal pünktlich aus einem Seminar gegangen und wartete auf den Aufzug, dachte er komme jeden Moment, da der Knopf schon eine ganze Weile gedrückt war. Er kam auch, aber mein Kommilitone entschied sich trotzdem, die Treppe zu nehmen. Was war das Ende vom Lied? Obwohl mein Kommilitone und ich gleichzeitig los sind - ich im Aufzug, er über die Treppe zu Fuß -, hatte er doch eine ganze Weile im Erdgeschoss vor der Aufzugtür auf mich warten müssen, da er zu Fuß viel schneller unten war als ich.

Es war nicht nur so, dass man an einer Riesen Schlange vorm Aufzug warten musste, manchmal kam man erst gar nicht rein und musste auf einen anderen warten. Das hat sich oftmals 15-20 Minuten hinziehen können. Die Fahrten waren auch immer interessant, besonders im Sommer, wenn man im überfüllten Aufzug gequetscht stand. In jedem Stockwerk wurde Halt gemacht. Bis man in den oberen Stockwerken war, vergingen nochmal so viele Minuten. Man dachte, die Aufzüge hätten ihren eigenen Kopf. Da fuhren sie doch manchmal am Stockwerk vorbei, auf das man gedrückt hatte, oder auf einmal war man dann wieder im Erdgeschoss und die Fahrt ging von vorn los.

Ich entschied mich auch manchmal aus Zeitnot, die Treppe zu nehmen. Die Zeit verging wie im Flug, wenn man sich dabei noch tolle Sprüche und Gemälde im Treppenhaus angucken konnte. Wenn man in einem der oberen Stockwerke war und keine Lust auf ein Seminar hatte, konnte man sehr schön aus dem Fenster über die ganze Stadt schauen, abschalten und dabei träumen, während der Dozent vor sich hinplapperte! Egal wie kompliziert manches im AfE-Turm war - ich bin doch froh, eine der letzten zu sein, die in ihm studieren durfte. Der AfE-Turm war/ist für mich das Merkmal studentischen Lebens. Wenn man durch ihn ging, konnte man die Geschichten der Studenten, die über Jahrzehnte dort studiert haben, sehen bzw. lesen. Der AfE-Turm hat 'gelebt'.  In ihm konnte man leben, er hat uns leben lassen und deshalb hat er auch gelebt. Wie schade, dass uns nun dies alles genommen wird. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass er noch weiterhin bestehen bliebe, und habe bis zum letzten Moment darauf gehofft!

 
Ines Rivas Vazquez
(Erziehungswissenschafts- und Informatikstudentin)


Erinnerungen an einen Kulturschock ...

Liebe Turm-Wächter,

1986 habe ich das Studium der Volkswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität aufgenommen. Einige Seminare - bspw. von Prof. Czayka zu wissenschaftstheoretischen Themen, bei denen einem der Kopf rauchte - fanden im AfE-Turm statt, der alles andere als einladend war. Ich war gerade der klösterlichen Welt eines Offenbacher Mädchengymnasiums entsprungen - da war der Kulturschock (zumal von Offenbach nach Frankfurt kommend) besonders groß.

Damals schrieb ich nebenbei für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und hatte mich in einen dortigen Redakteur verguckt. Er konnte wunderbare Geschichten erzählen, und natürlich auch schreiben. Ihn nahm ich eines herbstlichen Spätnachmittags mit in den Turm bis ganz nach oben. Über seine Eindrücke, die er während unserer gemeinsamen Aufzugfahrt gewonnen hatte, schrieb er damals eine kleine Geschichte für die Zeitung, die dann sogar in der FAZ abgedruckt wurde. Ich erinnere mich noch gut an die letzten Sätze seiner kleinen Glosse: "Jetzt steht nur noch eine da, die Tasche zwischen die Füße geklemmt. Im 33. Stock öffnet sich die Tür des Aufzugs zum letzten Mal. Frankfurt liegt im Nebel."

Ich arbeite inzwischen als Anwältin im Westhafenturm (hatte dann noch Jura studiert) und habe mir vorgenommen, am 2. Februar die Sprengung von meinem Büro aus zu verfolgen… Da werden sie dann in sich zusammenfallen - so manche Erinnerungen an die Studienzeit…

Dr. Kirsten Girnth


Erinnerungen an einen selbstständigen Hund und an gute Tipps ...

Als Jurastudent musste ich eher selten in den Turm. Unter anderem wegen der Sprachlabore war ich jedoch ab und an dort. Einer meiner ersten Besuche etwa 2000 blieb mir bleibend in Erinnerung. Ich musste in eines der oberen Stockwerke und wartete vor den Aufzügen, die auch an diesem Tag gut gefüllt waren. Als der Aufzug kam, drängte eine Menge heraus und die andere hinein. Die Türen schlossen sich, als ich bemerkte, dass zwischen den Menschen ein Hund stand. Er war mit uns eingestiegen. Der Hund schien zu niemandem im Aufzug zu gehören. Der Aufzug hielt das erste Mal. Tür auf. Einige stiegen aus. Tür zu. Er hielt wieder. Tür auf. Der Hund stieg aus - alleine und so selbstverständlich wie ein alter Professor, der seit 30 Jahren den Aufzug zu seinem Büro nimmt. Tür zu. Und schließlich kam mein Stockwerk. So selbstständige Hunde sind mir später selten begegnet.

Zu Beginn meines Studiums hörte ich mir auch Vorlesungen anderer Fachbereiche an. Ich glaube, bei den Politologen erwähnte das erste Mal ein Professor den Turm, indem er uns mitteilte, wie man den Turm bei Studentenprotesten am besten besetzt: Die Aufzüge nach oben fahren lassen, die Türen mit Tischen blockieren und dann die Treppenhäuser in den ersten zwei, drei Stockwerken mit Stühlen auffüllen.

Viele Grüße

Marc Pussar


Erinnerungen an einen Schlapphut ...

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, ich war zu der Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am FB 03, erreichte mich ein Anruf eines Freundes aus Berlin. Seines Zeichens Jurist, hatte er die Aussicht auf die erste feste Stelle nach dem Referendariat. Zu seinem Leidwesen war dies eine Stelle bei der internen Überprüfung der Aktivitäten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Berlin. „Extrem unwahrscheinlich, dass die Dich anrufen, aber ich musste einen Leumund aus meiner Frankfurter Zeit angeben und da bist mir halt Du eingefallen. Theoretisch kann es also sein, dass Dich da jemand anruft und über mich befragt.“ Einige Tage später klingelte mein Telefon erneut und es meldete sich ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Wiesbaden. „Wo können wir uns treffen? Bei Ihnen zu Hause, im Büro?“ Da ich damals wie heute keinen Schlapphut zu Hause haben möchte, verabredeten wir uns in meinem Büro im 29. Stock des Turms. Circa 14 Tage vorher war einer der unnützen wie unzähligen Uni-Streiks zu Ende gegangen und hatte seine Spuren hinterlassen: Über der Aufzugsfront prangte ein großes Graffiti mit dem wunderbaren Slogan „Tod dem Präsidenten“. Bevor der Schlapphut mich befragte, musste ich ihn eine gute Viertelstunde beruhigen, dass dies keinesfalls persönlich, sondern allenfalls strukturell gemeint sei, was er gleichwohl nicht als plausibel hinnahm. Persönlicher nahm er hingegen die Frage nach seiner Ausbildung und was denn so über mich vorliege – er hat mich quasi wortlos verlassen.

Als besonders anregend, freundlich und wohlschmeckend habe ich die Brötchen von Karl Remmele, dem langjährigen Prüfungsamtsvorsitzenden, in Erinnerung, der bei aller Bitterkeit über seine Geschichte, die Entwicklung der Frankfurter Tradition und das Versinken in der Universitätsbürokratie immer in der Lage war, Prüfungsausschusssitzungen in einem spezifischen Frankfurter Stil zu gestalten. Leider habe ich vergessen, mich nach der Herkunftsmetzgerei des Kochschinkens irgendwo in Königstein/Kronberg zu erkundigen.

 
Stefan Böhm-Ott, Diplom-Soziologe


Erinnerungen an ein Erdbeben im Turm ...

Als wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Dr. Walter Greiner am Institut für Theoretische Physik (Robert-Mayer-Str. 8-10) habe ich in den siebziger Jahren Übungen in Theoretische Physik für Studenten gehalten. Diese Übungen fanden immer am Mittwoch im Semester statt und wurden zum Teil im AfE-Turm abgehalten. An einem Mittwoch während der Übungen fand ein Erdbeben statt. Die von den Decken hängenden Lampen bewegten sich ganz deutlich und verhielten sich eine Zeit lang wie schwingende Pendel. Das ist meine Erinnerung an den AfE-Turm.

Prof. Dr. Elijah D. Mshelia,

Nigeria


Erinnerungen an einen Countdown ...

Als ich am 18. Oktober 1977 – dem Tag von Mogadischu und Stuttgart Stammheim – in aufgewühlten Zeiten ein Studium der Soziologie in Frankfurt begann, kam ich erstmals in den Turm. Dort verkehrte ich über mehr als 20 Jahre hinweg, da ich auch später berufsbedingt den Kontakt zur universitären Wissenschaft noch pflegte. Ende der 70er Jahre prangte dort in einem Seminarraum irgendwo in den mittleren Etagen in großen roten Lettern der Spruch. „Noch 11 Jahre bis 1984“ - hingesprüht also 1973. Es kam das Jahr 1980: „Noch 11 Jahre bis 1984“. Es kam das Jahr 1984: „Noch 11 Jahre bis 1984“. Es verging das Jahr 1984, es kamen die späten 80er und noch immer das Menetekel rot an der weißen Wand. Auch in den 90ern war es dort zu lesen. Vielleicht auch heute noch, wo der Turm nun fallen soll? Im Zeitalter Mark Zuckerbergs: „Noch 11 Jahre bis 1984“?

4. Mai 2013

Dr. Andreas Hansert


Erinnerungen an die erste Begegnungsstätte ...

Im April 1989 nahm ich mein Studium der Diplom-Pädagogik in Angriff und lief das erste Mal zum Turm. Wirklich happy war ich über den Anblick des Gebäudes nicht, denn ich kam von der Heidelberger Universität und das alte, ehrwürdige Gebäude in der Innenstadt entsprach damals vielmehr meinem Geschmack. Aber nun - der Studiengang meiner Wahl fand nun einmal in diesem Gebäude statt. Als ich das Stockwerk entlanglief, in dem die Einführungsveranstaltung begann, sah ich an der geöffneten Tür einen Mann stehen, der mir sofort gefiel und den ich auf Anhieb sehr mochte. Ja, der Turm ist die erste Begegnungsstätte von meinem Mann und mir, mit dem ich seit vielen Jahren verheiratet bin und drei Kinder habe.

Katharina Müller


Erinnerungen an einen komischen Vogel ...

Der „Turm“ ist für mich mehr als ein Ort der Erinnerung. Tatsächlich war er in zweierlei Hinsicht lebensentscheidend. Deshalb könnte dies eine lange Geschichte werden, aber ich mache es kurz:

Zum WS 1981/82 trat ich mein Studium der Soziologie und auch meinen Alltag im Turm an. Jeden Tag gegen 10 Uhr standen wir in einer Traube vor den Aufzügen. Hatte man sich erst einmal in einen reingequetscht, zeigte er durch deutliches Absacken an, wenn es dann doch zu voll wurde, und einige mussten wieder aussteigen. Dann: endlose Stopps bis zum 24. Stock.

Meistens waren dort die Seminare überfüllt, und wir standen an den Wänden oder saßen auf dem Boden (deshalb wundere ich mich immer über die aktuellen Berichte über überfüllte Hörsäle und Räume – im Turm war das selten anders). Wenn ein Stockwerk über uns Seminarschluss hatte, war darunter deutlich das Gequietsche vom Stühlerücken zu hören. Oft hatte ich ein wenig Panik, ob da oben auch alles mit rechten Dingen zuginge und der Turm nicht gleich zusammenbreche ob all der Belastungen. Umgekehrt hatte ich auch manches Mal Angst, er könne unter mir zusammensacken. Jedenfalls begleiteten mich oft Sorgen um die Stabilität des Gebäudes. Das mehrmalige Steckenbleiben im Aufzug trug wohl auch zu diesem Unsicherheitsgefühl bei, sodass ich den Weg nach unten meist über die Treppe nahm, auch von ganz oben, vom Psychoanalytischen Institut im 33. Stockwerk.

Und damit komme ich zum ersten entscheidenden Moment im Turm.

Nach meinem Vordiplom in Soziologie kamen mir immer mehr Zweifel, ob ich gesellschaftliche Verhältnisse je „verstehen“ könne, und ich wandte mich immer mehr dem Individuum zu. Daran waren auch meine ersten Freud-Seminare „schuld“, die damals vom FB Gesellschaftswissenschaften im Institut für Sozialforschung abgehalten wurden. Ich suchte Rat beim großen Meister Alfred Lorentzer. Angesichts meines Interesses für die Psychoanalyse riet er mir, doch noch Psychologie oder Medizin zu studieren. Diesem Rat folgte ich und entschied mich für die Psychologie. Nach sechs Semestern Soziologie entschloss ich mich als Quereinsteigerin in das zweite Semester Psychologie nach Trier zu wechseln. Nach drei Jahren hatte ich allerdings genug von Trier und wollte wieder in die Großstadt. So kam ich zurück nach Frankfurt und setzte mein Studium der Psychologie und später noch der Philosophie fort.

Es war ein Tag im Jahr 1987, als ich einen Freund besuchte, der als Pädagogik-Student in der dortigen Kinder- und Jugendbibliothek arbeitete. Diese war irgendwo in der Mitte des Turms beheimatet. Dort saß ein „komischer Vogel“ mit einer extravaganten Frisur: vorne kurz, hinten Pferdeschwanz, und in einer ebenso ungewöhnlichen, schwarzen Jacke aus Wollstoff und Gummi (!). Er zog von Anfang an meine Aufmerksamkeit auf sich. Wie sich herausstellte, war er ein Student der Germanistik und der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Der Pädagoge und er waren damals in der sogenannten „Video-AG“ aktiv. Trotz langer Zeit von Zusammensein und Trennungen konnten wir nicht voneinander lassen. Mittlerweile sind wir 14 Jahre verheiratet und haben eine jugendliche Tochter.

So haben sich im Turm für mich zwei entscheidende Lebenswege aufgetan, die ich heute noch mit Freude beschreite.

Andrea Sacher (Jahrgang 1962)
Dipl.-Psych., Master of Public Health


Erinnerungen an die wunderbare Aussicht ...

Als Ehemaliger des Fachbereichs 3 habe ich viele Semester im Turm verbracht und habe ihn immer auch als Herausforderung für meine Gesundheit genommen. Bei Seminaren, die im 33. Stock stattfanden, habe ich dann aber doch lieber die Treppen genommen. Wunderbar ist auch immer die Aussicht gewesen – Waldstadion, Flughafen, Taunus. Da habe ich auch schon mal die Verwandtschaft mitgenommen.

Stefan Reiber


Erinnerungen an die besten Horrorgeschichten ...

Ich weiß noch sehr genau, wie ich mich erschrocken habe, als ich zum WiSe 2004/2005 das erste Mal vor dem Turm stand: „DA soll ich studieren“? Ich war nicht etwa erschrocken, weil der Turm äußerlich nicht sonderlich einladend und hübsch wirkte, sondern wegen der Aufzüge! Als Erstsemsterling mit leichter Platzangst neben erfahrenen Turm-Gängern im Aufzug wurde mir mehr als mulmig, wenn diese ollen Dinger einfach absackten oder zwischen zwei Stockwerken steckenblieben. Und dann noch diese Witze und Horrorgeschichten von den offensichtlich höheren Semestern. Was tun? Der Turm hat mir zur unfreiwilligen Fitness verholfen. Ich kam immer früher zur Uni, um die nötigen Stockwerke bis zum Seminarraum laufen zu können. Bis in den 38. Stock bin ich gelaufen, alles lieber, als mit diesen Aufzügen fahren. Aber dann, irgendwann, siegte die Faulheit, in Kombination mit Zeitnot, und ich bin doch Aufzug gefahren. Immer öfter und irgendwann nur noch.

Und irgendwann kam der Tag, es war gerade Semesterbeginn, wo ich mich ertappte, genau die gleichen Witze und Horrorgeschichten im Aufzug zu erzählen (in der Gegenwart von offensichtlichen Erstsemstern), die ich zu Beginn meiner Studienzeit gehört habe. Man gewöhnt sich eben einfach daran! Und auch wenn die neuen Räumlichkeiten des FB03 wirklich nett sind, dieses Erlebnis gepaart mit der unvergleichbaren Atmosphäre im Turm („Karl Marx is watching you“) würde mir wirklich fehlen, wenn ich nochmal an der Uni Frankfurt studieren würde!

Beste Grüße aus Nairobi

Devina Seipp


Erinnerungen an die Sprühaktionen ...

Dass der AfE-Turm jetzt das Zeitliche segnen soll, finde ich bedauerlich, denn ich habe dort gerne studiert. Für mich war das eine sehr schöne Zeit. Wegen Fotos vom AfE-Turm habe ich bei mir gewühlt, weil ich mich gerne an eine unserer Sprühaktionen während der Besetzung des Frauenlehrstuhls erinnere. Diese Bilder und andere findet man in der „Dokumentation zum Frankfurter Frauenlehrstuhl“, zum Beispiel auf Seite 104 und 105.

Ute Kraft


Erinnerungen an eine Treppenhauswanderung ...

Eine sehr unheimliche, im Nachhinein witzige Erinnerung habe ich. Es war Mitte der siebziger Jahre. Als Psychologiestudentin hatte ich spät abends noch im Turm ein Psychoanalyse-Seminar, ganz oben im 38. Stock. Der Hausmeister hatte uns aber da oben vergessen und stellte die Aufzüge ab. Es gab damals ja noch keine Handys, also diskutierten wir, was zu tun ist. Die eine Hälfte war fürs Warten am Aufzug. Wir wussten ja in dem Moment nicht, dass er uns vergessen hatte, sondern dachten erst, es wäre eine kurzzeitige Störung (wie so oft). Die andere Hälfte der Studenten wurde skeptisch und ungeduldig. Dazu gehörte ich. Wir entschieden uns, die Treppen in einer Gruppe von zirka fünf Leuten runter zu laufen.

Wir gingen also zum Treppenhaus und entschieden uns, zusammen zu bleiben, denn es war abends da oben wirklich gespenstisch. Als wir anfingen, die Treppen runterzulaufen, ging auch noch das Licht im Treppenhaus aus. Durch das unterschiedliche Tempo der Einzelnen hatte man schnell den Anschluss an die anderen verloren. Alleine im Dunkeln 38 Stockwerke runter zu laufen – das war nicht schön. Unten hatte ich dann einen Drehwurm, war aber unheimlich erleichtert, es geschafft zu haben und die anderen wieder zu treffen. Und dann haben alle befreit gelacht. Dies war nur eine Anekdote zum Turm, aber die vergesse ich nie.

Es berührt mich, dass ich jetzt eine Tochter habe, die auch in Frankfurt studiert und nun "Turmgeschichten" erzählt. Mittlerweile soll er ja schon wackeln und gefährlich sein. Er war nie beliebt, hässlich, aber trotzdem ein Symbol einer sehr bewegten Zeit. Eine Aufbruchsstimmung herrschte damals – und voller Wehmut sehe ich dem Abriss entgegen. Eine Ära geht zu Ende. Die Studenten haben es jetzt sehr schön auf dem neuen Campus – trotzdem ...

Marlies Lück