Biochemiker der Goethe-Universität erkennen interaktiven Mechanismus bakterieller Genschalter
Wie halten sich Krankheiten auslösende Bakterien am Leben? Biochemisch gesprochen: Wie funktioniert ihre Genregulation und Gensynthese, also die gengesteuerte Produktion von Proteinen? Forscherinnen und Forscher des Instituts für Organische Chemie und Chemische Biologie der Goethe-Universität haben nun herausgefunden, wie sich ein bakterieller Genschalter am Ort der bakteriellen Gensynthese, dem Ribosom, strukturell verhält. Nur seine Wechselwirkung mit einem ribosomalen Protein macht den Fortbestand des Bakteriums möglich, wie die Forscherinnen und Forscher in der Fachzeitschrift Nature Communications demonstrieren.
FRANKFURT.
Antibiotika setzen bakterielle Keime außer Kraft: Sie hemmen deren Wachstum
oder lassen sie gar absterben, indem sie deren biologische Funktionen stören.
Wenn die gleichen Antibiotika jedoch häufig eingesetzt werden, entwickeln
Bakterien Resistenz, und das Antibiotikum verliert seine Wirkung. Je genauer
Forscher nun die biologischen Prozesse in Bakterien kennen und wissen, wie Bakterien
sich reproduzieren, desto gezielter können sie in diese Prozesse eingreifen –
etwa durch neue Antibiotika.
Neue Erkenntnisse über einen Mechanismus zur Regulation der
bakteriellen Gensynthese haben jetzt Forschende des Instituts für Organische
Chemie und Chemischen Biologie der Goethe-Universität gewonnen. Sie
untersuchten dabei einen sogenannten Riboschalter aus dem krankheitsauslösenden
Bakterium Vibrio vulnificus. Riboschalter (Riboswitches) sind
strukturierte Elemente auf der Boten-Ribonukleinsäure (mRNA), die genetische
Information zum Ort der Gensynthese, dem Ribosom, transportiert. Die Schalter
können dabei zwei Strukturen einnehmen, die das Ribosom als AN- oder AUS-Signal
erkennt. Abhängig davon, ob diese genetische Ampel rot oder grün zeigt, findet
dann Gensynthese statt oder eben nicht. Ob der Schalter grün oder rot anzeigt,
hängt wiederum von kleinen Molekülen ab, die als Induktoren funktionieren. Sind
diese häufig in der Zelle anzutreffen, schaltet die Ampel auf Grün. Bislang
ging man davon aus, dass allein die Anwesenheit der Induktoren den Schalter in
Gang setzt.
Als Teil ihrer Doktorarbeit konnte Vanessa de Jesus in der
Arbeitsgruppe von Dr. Boris Fürtig nun zeigen, dass dazu jedoch eine
Wechselwirkung vonnöten ist: zwischen dem Riboschalter, der durch den Induktor
aktiviert wird, und dem Ribosom selbst, das seinerseits auf den Schalter
einwirkt. „Nur die Synergie der Bindung des Induktors Adenin und des Ribosoms,
insbesondere des Proteins rS1, ermöglicht eine vollständige Umschaltung“, erklärt
Vanessa de Jesus.
Prof. Dr. Harald Schwalbe, aus dessen Sonderforschungsbereich zu
molekularen Mechanismen der RNA-basierten Regulation die Arbeitsgruppe
erwachsen ist, untersucht seit langem diese Art von Genregulation: „Bislang
stand die Wechselwirkung zwischen Induktormolekül und Riboschalter im Fokus
unseres wissenschaftlichen Interesses. Die Interaktion der Riboswitche mit dem
Ribosom konnte jetzt von der Gruppe Fürtig federführend erforscht werden. Somit
verstehen wir auch zunehmend besser das komplizierte dynamische Netzwerk von
RNA-Schalter, Induktor und Ribosomen-Protein-Modulator.“
„Wir sind sehr glücklich, dass wir nach sechs Jahren sehr
intensiver Arbeit gemeinsam mit den Kollegen aus dem Institut für Physikalische
Chemie zeigen können, dass Riboschalter mitnichten ein rein RNA-basiertes
Regulationssystem sind. Sie brauchen die Wechselwirkung mit Proteinen der
Gensynthese-Maschine, um korrekt zu funktionieren. Damit haben wir völlig neue
Angriffspunkte für Antibiotika“, erläutert Dr. Boris Fürtig die
Forschungserkenntnisse seiner Gruppe. Ziel ist es, Moleküle herzustellen, die
in die Regulation der Gensynthese von Bakterien punktgenau eingreifen und das
Wachstum der Keime hemmen können.
Publikation: Vanessa
de Jesus, Nusrat S. Qureshi, Sven Warhaut, Jasleen K. Bains, Marina S. Dietz,
Mike Heilemann, Harald Schwalbe, Boris Fürtig, “Switching at the ribosome:
riboswitches need rProteins as modulators to regulate translation", Nature
Communications DOI: 10.1038/s41467-021-25024-5
Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/104138996
Bildtext: Strukturmodell des Riboschalters im AN-Zustand (grün) im Komplex
mit der bakteriellen Gensynthese Maschine, dem Ribosom (blau und grau) (Abb.
Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie/Goethe-Universität)
Weitere Informationen
Dr.
Boris Fürtig
Vanessa de Jesus
Prof.
Dr. Harald Schwalbe
Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie
Goethe-Universität
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