Studie der Goethe-Universität zum Kompetenzerwerb von Schülerinnen und Schülern während der coronabedingten Schulschließungen
Wie effektiv lernen Kinder und Jugendliche beim häuslichen Distanzunterricht? Diese Frage wird nicht nur unter Fachleuten intensiv diskutiert. Eine Studie aus der Pädagogischen Psychologie an der Goethe-Universität gibt für das Frühjahr 2020 eine ernüchternde Antwort. Später scheint sich die Situation etwas verbessert zu haben.
FRANKFURT. Trotz
der vielfältigen Bemühungen, den Schulbetrieb durch Distanzunterricht und
Online-Angebote während der coronabedingten Schulschließungen so gut wie
möglich aufrecht zu erhalten, sind bei vielen Schülerinnen und Schülern enorme
Leistungsdefizite entstanden. Dies zeigt eine Studie aus der Pädagogischen
Psychologie an der Goethe-Universität. Forscherinnen und Forscher haben in
einem systematischen Review belastbare Antworten hierzu publiziert. Bei diesem
systematischen Review wurden mit wissenschaftlichen Datenbanken weltweit jene
Studien identifiziert, in denen die Auswirkungen der coronabedingten
Schulschließungen auf die Leistungen und Kompetenzen von Schülerinnen und
Schülern berechnet wurden.
„Wir haben nur forschungsmethodisch hochwertige Publikationen
berücksichtigt, die eindeutige Rückschlüsse auf die Wirkung coronabedingter
Schulschließungen auf den Kompetenzerwerb von Schülerinnen und Schülern
erlauben und geeignete Tests zur Leistungs- oder Kompetenzmessung einsetzten“,
erklärt Prof. Dr. Andreas Frey, der an der Goethe-Universität Pädagogische
Psychologie mit Schwerpunkt Beratung, Diagnostik und Evaluation lehrt und einer
der Verfasser der Studie ist. Dabei habe sich gezeigt, dass der Kompetenzerwerb
während der Schulschließungen im Vergleich zu Präsenzbedingungen deutlich
geringer ausfiel. „Die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der
Schulschließungen im Frühjahr 2020 ist als Stagnation mit Tendenz zu
Kompetenzeinbußen zu bezeichnen und liegt damit im Bereich der Effekte von
Sommerferien“, sagt Frey. Besonders stark zu beobachten seien Kompetenzeinbußen
bei Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Elternhäusern. „Hiermit
sind die bisherigen Vermutungen durch empirische Evidenz belegt: Die Schere
zwischen Arm und Reich hat sich während der ersten coronabedingten
Schulschließungen noch weiter geöffnet“, schlussfolgert Frey. Allerdings gebe
es auch erste Anhaltspunkte dafür, dass die Effekte der späteren
Schulschließungen ab Winter 2020/21 nicht zwangsläufig ebenso drastisch
ausfallen müssen. Inzwischen habe sich die Online-Lehre vielerorts verbessert,
dies scheint die negativen Effekte abfedern zu können.
Das von Svenja Hammerstein, Christoph König, Thomas Dreisörner und
Andreas Frey verfasste systematische Review ist auf dem Preprint-Server
PsyArXiv kostenfrei zum Download verfügbar (https://psyarxiv.com/mcnvk/). Die Arbeit
wurde im Projekt „Coronabedingte Bildungsbenachteiligungen erkennen und
verringern“ (CoBi) angefertigt, das von der Beisheim Stiftung und dem Goethe
Corona-Fonds gefördert wird. Im CoBi-Projekt wird ein
Online-Screening-Instrument zur Identifikation besonders gefährdeter
Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe entwickelt, die dann von der
Beratungsstelle MainKind der Goethe-Universität unterstützt werden.
Publikation: https://psyarxiv.com/mcnvk/
Weitere Informationen
Prof. Dr. Andreas Frey
Pädagogische Psychologie mit Schwerpunkt Beratung, Diagnostik und
Evaluation
frey@psych.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de