Neues DFG-Projekt der Zahnmedizin an der Goethe-Universität untersucht, wie man eine Wurzel entfernt und dabei den Nerv lebendig erhält
Wurzelbehandlung mit anschließender Wurzelentfernung – weist ein
Zahn eine Entzündung auf, gibt es oft keine andere Lösung. Doch in manchen
Fällen gibt es Alternativen. Zwei Methoden, wie man trotz Wurzelentfernung den
Nerv erhalten kann, nimmt ein neues DFG-Projekt in der Poliklinik für
Parodontologie am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum) in
den Blick.
FRANKFURT. „Vitalamputation von Oberkiefermolaren mit Furkationsbeteiligung Grad II und/oder III“ – so lautet der Titel der Studie, die mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird. Was kompliziert klingt, könnte für viele Patienten durchaus relevant sein: Parodontale Erkrankungen kommen hierzulande häufig vor, und oft geht es darum, dass mehrwurzelige Zähne nicht in Gänze betroffen sind und am Leben erhalten werden könnten.
Im Fokus der Studie stehen mehrwurzelige Oberkieferbackenzähne
(Molaren), bei denen ein Knochenabbau infolge einer Entzündung bis zu der
Stelle vorgedrungen ist, an der sich die Wurzel teilt (Furkation). Je nach
Ausprägung des Knochenabbaus wird in einem solchen Fall die betroffene Wurzel
entfernt, „amputiert“ heißt es in der Fachsprache. Dieses durchaus gängige und
zahnerhaltende Therapieverfahren zielt darauf ab, die durch den Knochenabbau
entstandene Nische samt Entzündung zu beseitigen und den ehemals nicht
erreichbaren Zahnabschnitt der Mundhygiene über Zahnzwischenraumbürstchen
zugänglich zu machen. Die klassische Vorgehensweise sieht vor, den Zahn vor der
Entfernung (Amputation) einer seiner Wurzeln endodontisch, also vom Zahninneren
her zu behandeln (Wurzelkanalbehandlung).
Die Wurzelamputation werde auch weiterhin das Mittel der Wahl
bleiben, wenn eine von mehreren Wurzeln betroffen ist, sagt Studienleiter PD
Dr. Hari Petsos. Allerdings sei fraglich, ob vor jeder Wurzelamputation auch zwangsläufig
eine Wurzelkanalbehandlung notwendig sei. Denn oft ziehe eine
Wurzelkanalbehandlung eine „Behandlungskaskade“ nach sich – und damit einen
erheblichen Zeit- und Kostenaufwand für die Patienten. Darüber hinaus, so
konstatiert der Zahnmediziner, sei jede Wurzelkanalbehandlung prinzipiell ein
zusätzlicher Risikofaktor für Zahnverlust, denn es könne dabei immer zu
Komplikationen kommen, auch die Stabilität des Zahnes wird in Mitleidenschaft
gezogen. Um derartige Komplikationen von vornherein zu vermeiden, werde der
betroffene Zahn häufig überkront – was ebenfalls kostspielig ist. Die beste
Lösung wäre also, den betroffenen Zahn lebendig und somit in sich stabil zu
erhalten.
Im Rahmen der von der DFG geförderten Studie sollen nun zwei
unterschiedliche Therapieverfahren miteinander verglichen werden, die beide
vitalerhaltend sind, also ohne eine Wurzelkanalbehandlung auskommen. Daher der
Begriff der „Vitalamputation“. Insgesamt 70 Patienten werden innerhalb der
zwölf Monate nach ihrer Behandlung daraufhin untersucht, wie sich die
parodontale (Zahnhalteapparat) und endodontische (Zahnnerv) Situation am
betroffenen Zahn entwickelt. Methode eins sieht vor, dass die Wurzel unterhalb
der Zahnkrone abgetrennt wird, die sehr kleine Fläche des dabei angeschnittenen
Zahnnervs wird mit einem für solche Zwecke erprobtem Medikament (Biodentin:
Trikalziumsilikat) und einem Füllungsmaterial abgedeckt. Bei Methode zwei wird
der Zahn durch die Kaufläche eröffnet und der Zahnnerv im oberen Anteil
(Kronenpulpa) entfernt. Die freiliegenden, in den Wurzeln verbleibenden
Nervanteile werden mit demselben Medikament wie in Methode eins abgedeckt, der
Zahn wird mit einem Füllungsmaterial verschlossen. Erst dann wird die
entsprechende Wurzel entfernt. Ob der Nerv die Prozedur überstanden hat ohne
dabei abzusterben, wird in den Monaten nach der Behandlung immer wieder mittels
Kälteempfindung und Stromfluss kontrolliert. „Die Ergebnisse unserer Studie
werden unter Umständen zu einer veränderten Vorgehensweise führen“, ist Dr.
Petsos überzeugt.
Das Projekt wird von der DFG mit rund 110.000 Euro gefördert und
läuft bis Dezember 2023 an der Poliklinik für Parodontologie des Zentrums für
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Goethe-Universität.
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/115385283
Bildtext: Schematisch Darstellung des klassischen Verfahrens
(Wurzelamputation, links) sowie beider im Rahmen der Studie untersuchten
Therapieverfahren (Vitalamputation unter Belassen der Kronenpulpa, mittig, bzw.
mit Entfernung der Kronenpulpa, rechts). (Grafik: Petsos)
Weitere Informationen
PD Dr.
Hari Petsos
Poliklinik
für Parodontologie
Zentrum
für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Goethe-Universität
Telefon:
069 6301 5642 (Sekretariat)
E-Mail:
petsos@med.uni-frankfurt.de
Homepage:
https://www.kgu.de/einrichtungen/kliniken/carolinum-zahnaerztliches-universitaets-institut-ggmbh