Bartonella-Bakterien nutzen bestimmte Proteine – Mechanismus auf andere Bakterienarten übertragbar
Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität haben die „Anheftung“ von Bakterien an Wirtszellen aufgeschlüsselt und damit den ersten Schritt gemacht, um eine neue Klasse von Antibiotika zu entwickeln.
FRANKFURT. Die „Anheftung“ (Adhäsion) von Bakterien
an Zellen ist immer der erste und einer der wichtigsten Schritte bei der
Entstehung von Infektionserkrankungen. Diese Adhäsion der Infektionserreger
dient dazu, den Wirtsorganismus, beispielsweise den Menschen, erst zu besiedeln
und anschließend eine Infektion auszulösen, die im schlechtesten Fall tödlich
endet. Das genaue Verständnis dieser sogenannten „Adhärenz“ der Bakterien an
Wirtszellen ist ein Schlüssel, um therapeutische Alternativen zu finden, die
diese entscheidende Interaktion im frühestmöglichen Stadium einer Infektion
blockieren.
Entscheidende
Wechselwirkung mit dem menschlichen Protein Fibronektin
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikum
Frankfurt und der Goethe-Universität haben in Kollaboration mit anderen
Forschern nun den Mechanismus der bakteriellen Adhärenz anhand des
humanpathogenen Bakteriums Bartonella
henselae aufgeklärt. Es handelt sich um den Erreger der sogenannten
„Katzenkratzkrankheit“, die von Tieren auf Menschen übertragen wird. In einem
internationalen Kooperationsprojekt unter Leitung der Frankfurter
Forschungsgruppe um Univ.-Prof. Volkhard Kempf wurde der bakterielle
Adhärenz-Mechanismus mit Hilfe einer Kombination aus in-vitro-Adhärenztests und
Hochdurchsatz-Proteomik entschlüsselt. Unter Proteomik versteht man die
Erforschung der Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem komplexen
Mechanismus vorliegenden Proteine.
Die Wissenschaftler haben einen zentralen Mechanismus aufgeklärt:
Die bakterielle Anheftung an die Wirtszellen kann auf die Interaktion einer
bestimmten Adhäsin-Klasse – den sogenannten „trimeren
Autotransporter-Adhäsinen“ – mit dem im menschlichen Gewebe häufig vorkommenden
Protein Fibronektin zurückgeführt werden. Bei Adhäsinen handelt es sich um
bakterielle Oberflächenkomponenten, die es dem Erreger ermöglichen, sich an die
biologischen Strukturen des Wirts anzuheften. Die hier als entscheidend
identifizierte Adhäsin-Klasse kommt auch in vielen anderen humanpathogenen
Bakterien, so zum Beispiel dem multiresistenten Acinetobacter baumannii vor, der von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Priorität-1“ Erreger zur Erforschung
neuer Antibiotika klassifiziert wurde.
Die genauen Wechselwirkungspunkte zwischen den Proteinen wurden
unter Einsatz modernster Protein-Analytik sichtbar gemacht. Es konnte darüber
hinaus gezeigt werden, dass die experimentelle Blockade dieser Abläufe die
bakterielle Adhärenz nahezu komplett verhindert. Therapeutische Ansätze, die
auf eine derartige Unterbindung der bakteriellen Adhärenz zielen, könnten als
neue Klasse von Antibiotika (sogenannte „Antiliganden“) eine vielversprechende
Behandlungsalternative auf dem stetig wachsenden Gebiet der multiresistenten
Bakterien darstellen.
Renommierte
Förderung
Die Forschungsarbeit wurde im Rahmen eines sogenannten
„Marie-Curie-Trainingsnetzwerks der Europäischen Union“ („ViBrANT: Viral and
Bacterial Adhesin Network Training“) im Rahmen des Forschungs- und
Innovationsprogramms HORIZON 2020 der Europäischen Union gefördert.
Die wissenschaftliche Arbeit ist in der renommierten
Fachzeitschrift „Microbiology Spectrum“ der American Society of Microbiology
(ASM) erschienen und wurde am 18. Juni 2022 als „Paper of the month“ durch die
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) ausgezeichnet.
Publikation:
Vaca, D. J., Thibau, A., Leisegang, M. S.,
Malmström, J., Linke, D., Eble, J. A., Ballhorn, W., Schaller, M., Happonen,
L., Kempf, V. A. J.; Interaction of
Bartonella henselae with Fibronectin Represents the Molecular Basis for
Adhesion to Host Cells; Microbiology Spectrum, April 18th, 2022. https://doi.org/10.1128/spectrum.00598-22
Bilder zum Download:
https://www.kgu.de/fileadmin/redakteure/Presse/Bilder_Pressmitteilungen/2022/Vaca_Diana_Jaqueline.jpg
Bildtext: Erstautorin der Studie:
Diana Jaqueline Vaca, Institut für Medizinische Mikrobiologie und
Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Frankfurt (Abb. 1). Foto:
Universitätsklinikum Frankfurt
https://www.kgu.de/fileadmin/redakteure/Presse/Bilder_Pressmitteilungen/2022/Bartonella_henselae.jpg
Bildtext: Adhäsion von Bartonella
henselae (blau) an menschliche Blutgefäßzellen (rot). Diese Bindung des
Bakteriums an die Wirtszellen könnte mit Hilfe von sogenannten „Antiliganden“
blockiert werden
Credits: https://www.mdpi.com/2075-4418/11/7/1259
Weitere Informationen
Prof.
Dr. med. Volkhard A. J. Kempf
Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Universitätsklinikum Frankfurt
Tel: +49 (0)69 6301–5019
volkhard.kempf@kgu.de
Internet: https://www.kgu.de/einrichtungen/institute/zentrum-der-hygiene/medizinische-mikrobiologie-und-krankenhaushygiene
Redaktion:
Christoph Lunkenheimer, Pressesprecher, Stabsstelle Kommunikation
Universitätsklinikum, Telefon:
+49 (0)69 6301–86442, christoph.lunkenheimer@kgu.de