Team der Goethe-Universität an Veröffentlichung in „Nature“ beteiligt
Atmosphärenforscher:innen des internationalen Verbunds CLOUD haben einen Mechanismus entdeckt, der in der oberen Troposphäre Keime für Eiswolken entstehen und rasch wachsen lässt. Die Entdeckung beruht auf Wolkenkammer-Experimenten, an denen ein Team der Goethe-Universität Frankfurt mit hochspezialisierten Messungen beteiligt war. Obwohl die Bedingungen für die Keimbildung nur in der asiatischen Monsunregion erfüllt sind, hat der Mechanismus Auswirkungen auf die Bewölkung über weiten Bereichen der Nordhalbkugel (Nature DOI 10.1038/s41586-022-04605-4)
FRANKFURT. Der
asiatische Monsun befördert gewaltige Mengen Luft von erdnahen Schichten der
Atmosphäre bis in rund 15 Kilometer Höhe. Wie in einem riesigen Fahrstuhl
gelangen so auch Luftschadstoffe, die durch menschliche Aktivitäten entstehen,
in die obere Troposphäre. Ein Wissenschaftsteam des CLOUD-Konsortiums ((Cosmics
Leaving Outdoor Droplets), darunter Atmosphärenforscherinnen und
Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt, haben die dort
herrschenden Bedingungen in ihrer Experimentierkammer am
Teilchenbeschleunigerzentrum CERN in Genf nachgestellt, einschließlich der
kosmischen Höhenstrahlung.
Dabei fanden sie heraus, dass sich aus Ammoniak, Salpetersäure und
Schwefelsäure bis zu 100-mal mehr Aerosol-Partikel bilden als bei Anwesenheit
von lediglich zwei dieser Substanzen. Diese Partikel stehen dann einerseits als
Kondensationskeime für flüssige Wassertröpfchen in Wolken zur Verfügung,
andererseits als feste Keime für reine Eiswolken, die in der Fachsprache als
Zirren bezeichnet werden. Außerdem stellte das Wissenschaftsteam fest, dass
sich mit den Drei-Komponenten-Partikeln Eiswolken schon bei einer geringeren
Wasserdampf-Übersättigung bilden als bisher erwartet. Das heißt, die Eiswolken
entstehen bereits unter Bedingungen, von denen die Atmosphärenforscher:innen
weltweit bisher annahmen, dass sie nicht zur Zirrenbildung führen. Mit globalen
Modellrechnungen zeige das CLOUD-Forschungsteam weiterhin, dass sich die
Wolkenkeime innerhalb von wenigen Tagen über große Teile der Nordhalbkugel
verteilen können.
„Das Experiment in der CLOUD-Kammer war eine Reaktion auf die
Ergebnisse von Messkampagnen über Asien. Diese Kampagnen haben gezeigt, dass
dort während des Monsuns in der oberen Troposphäre Ammoniak vorhanden ist“,
erläutert Prof. Joachim Curtius von der Goethe-Universität. „Zuvor hatte man
immer angenommen, dass Ammoniak auf Grund seiner Wasserlöslichkeit aus den
aufsteigenden Luftmassen ausgespült wird, bevor er die obere Troposphäre
erreicht.“ Wie nun das Experiment der CLOUD-Forscher belegt, ist der Ammoniak
eine entscheidende Zutat für eine verstärkte Wolkenbildung. Die
Ammoniak-Emissionen in Asien stammen überwiegend aus der Landwirtschaft.
Der internationale Forschungsverbund CLOUD besteht aus Teams, die
von 21 Forschungseinrichtungen entsendet werden. Bei dem Experiment, dessen
Ergebnisse das Forschungsteam in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature
vorstellt, waren die Wissenschaftler:innen um Curtius für die
massenspektrometrische Messung der Schwefelsäure-Konzentration verantwortlich.
Diese Konzentration veränderte sich im Laufe des Experimentes, war aber wie in
der oberen Troposphäre immer sehr gering: Einem einzigen Schwefelsäure-Molekül
stehen mehr als eine Billion anderer Gasmoleküle gegenüber. „Solche Messungen
bedürfen neben den besten Messgeräten einer hochspezialisierten Expertise.
Daher benötigt man zur Durchführung eines solchen Experimentes Teams mit sich
ergänzenden Kompetenzen“, erläutert Curtius, der Mitglied im
CLOUD-Steuerungsausschuss ist und Koordinator des gerade erfolgreich beendeten
EU-Projekts CLOUD-MOTION war. Die Schwefelsäure bildet sich in der CLOUD-Kammer
wie in der Atmosphäre aus Schwefeldioxid und Hydroxyl-Radikalen.
Wolken sind ein wichtiges und zugleich noch unzureichend
verstandenes Element im globalen Klimageschehen. Je nachdem, ob sie hoch oder
niedrig schweben, wie groß ihr Wasser- oder Eisgehalt ist, wie dick sie sind
oder über welcher Erdregion sie sich bilden, wird es unter ihnen wärmer oder
kühler. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit benötigen genaue
Kenntnis aller Vorgänge rund um den Klimafaktor Wolken, damit sie die Präzision
von Klimamodellen verbessern können. Die Erkenntnisse des CLOUD-Forschungsteams
bringen sie auf dem Weg zu immer verlässlicheren Klimavorhersagen ein gutes
Stück voran.
Publikation: Mingyi Wang et al., Synergistic HNO3 H2SO4 NH3 upper
trophospheric particle formation. Nature https://www.nature.com/articles/s41586-022-04605-4 DOI
10.1038/s41586-022-04605-4
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/119325153
Bildtext: Luftschadstoffe bilden die Kondensationskeime für Eiswolken oder
Zirren (hier: Cirrus spissatus). Wenn Ammoniak, Salpetersäure und Schwefelsäure
gemeinsam vorhanden sind, bilden sie solche Kondensationskeime besonders
effektiv. Bild: Joachim Curtius, Goethe-Universität Frankfurt
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Joachim Curtius
Institut für Atmosphäre und Umwelt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-40258
curtius@iau.uni-frankfurt.de