Kathryn Barnes forscht zu ikonischen Wörtern im Deutschen und deren Wirkung
Wörter wie „ratzfatz“, „ruckzuck“ oder „pillepalle“ nennt man Ideophone. Sie kommen vor allem in der gesprochenen Sprache vor. Ihre Rolle im System Sprache ist bislang kaum erforscht. Eine junge Linguistin an der Goethe-Universität will das ändern. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über die Semantik und Pragmatik von Ideophonen.
FRANKFURT.
Natürliche Sprachen gelten als „arbiträr“: Die sprachlichen Zeichen und deren
Bedeutung stehen in einem freien Verhältnis zueinander und beruhen nicht auf
Ähnlichkeit. Wer zum Beispiel das Wort „Buch“ nicht kennt, kann sich die
Bedeutung nicht aus der Form und Beschaffenheit des Wortes erschließen.
Aber es gibt auch Zeichen mit ikonischen Eigenschaften, die
durchaus ohne Vorkenntnis auf die Bedeutung schließen lassen. Gesten und Mimik
etwa: Als Begleiter der gesprochenen Sprache bringen sie zusätzlichen
Bedeutungsinhalt ein. Und es gibt Ideophone. Das sind Wörter, die das Gemeinte
klangmalerisch beschreiben; meist handelt es sich um Geräusche oder Bewegungen.
Ein Ideophon kann ein Verb, ein Adjektiv oder ein Adverb sein, es beschreibt
Art und Weise, Farbe, Geräusch, Geruch, Handlung, Zustand oder Intensität. In
afrikanischen Sprachen sind Ideophone besonders häufig, im Deutschen gibt es
sie weit seltener. Aber es gibt sie: „zickzack“, „holterdiepolter“, „ratzfatz“,
„pille-palle“ oder „plemplem“. Und mit dieser Art von Wörtern befasst sich
Kathryn Barnes.
Sie sind nicht nur Thema ihrer gerade entstehenden Dissertation,
sondern auch eines jüngst in der linguistischen Zeitschrift „Glossa“
erschienenen Aufsatzes. Betreut wird ihre Arbeit von der Linguistin Prof.
Cornelia Ebert, die auch das hochschulübergreifende DFG-Schwerpunktprogramm
„Visuelle Kommunikation. Theoretische, empirische und angewandte Perspektiven
(ViCom)“ koordiniert. Ebert hat in Bezug auf Gesten herausgefunden, dass diese
auf einer anderen Ebene Bedeutung vermitteln als arbiträre Zeichen. Sie werden
vom kommunikativen Gegenüber weniger in Frage gestellt. Barnes erforscht nun,
ob dies auch auf Ideophone übertragen werden kann.
„Solche vermeintlichen Sonderfälle können viel über das
Funktionieren von Sprache aussagen“, sagt Barnes. Für die als Aufsatz
erschienene Studie musste Barnes wegen der Pandemie die notwendige Befragung
als Onlineexperiment konzipieren. Insgesamt 40 Deutsch-Muttersprachler haben
den Fragebogen ausgefüllt, der die Verwendung (Pragmatik) und Bedeutung
(Semantik) von 20 Ideophonen beleuchten sollte.
Als ein Beispiel wird eine Szene aus dem Froschkönig verwendet, wo
der Frosch plitschplatsch die Treppe zum Schloss hinaufsteigt. Im einen
Beispiel wurde er zuvor als nass beschrieben, im anderen geschildert, dass die
Sonne ihn bei der Ankunft an der Treppe vollkommen ausgetrocknet hatte. Bei
Verwendung des Ideophons plitschplatsch konnten die Probanden die Schilderung
auch dann akzeptieren, als die Aussage eigentlich unlogisch erscheinen musste.
Anders bei Verwendung eines Adverbs – ganz ähnlich wie im Fall von Gesten wurde
der Fehler von den Teilnehmern weniger beanstandet.
„Dies ist meines Erachtens die erste experimentelle Arbeit zum
At-issue-Status von Ideophonen, die mit deutschen Sprechern durchgeführt wurde
– und eine der ganz wenigen überhaupt zum Informationsstatus von Ideophonen“,
sagt Prof. Cornelia Ebert. Im Deutschen jedenfalls seien Ideophone, die wie
Satzglieder verwendet würden, „not at issue“, das heißt: Ihr Wahrheitsgehalt
werde nicht im gleichen Maße in Frage gestellt wie der anderer Satzglieder. Ob
das, was anhand deutschsprachiger Ideophone gezeigt werden konnte, auch auf
andere Sprachen übertragbar sei, insbesondere auf solche, in denen die
Verwendung von Ideophonen viel üblicher ist als im Deutschen, müsse sich noch
zeigen.
Warum aber haben Ideophone (ebenso wie Gesten) eine höhere
Glaubwürdigkeit? Weil sie Bilder im Kopf erzeugen, also auf einer anderen
Verständnisebene wahrgenommen werden? Das will Kathryn Barnes weiter erforschen
und dabei auch andere Sprachen, etwa das Spanische einbeziehen.
Publikation:
Barnes, K. R. & Ebert, C. & Hörnig, R. & Stender, T., (2022) “The
at-issue status of ideophones in German: An experimental approach", Glossa: a
journal of general linguistics 7(1). doi: https://doi.org/10.16995/glossa.5827
Weitere Informationen
Kathryn
Barnes
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Institut für Linguistik
Goethe-Universität
069 798-32401
barnes@lingua.uni-frankfurt.de
https://sites.google.com/view/kathrynbarnes/home
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de