Symposion von Goethe-Uni und Sigmund-Freud-Institut geht den psychosozialen Bedingungen und Folgen auf den Grund
FRANKFURT. Es herrscht Krieg in Europa. Doch wie lassen sich die affektiven und moralischen Dynamiken von Krieg und Kriegsfolgen verstehen? Welche psychischen Folgen haben die veränderten Lebensbedingungen für die Menschen? Und welche Rolle spielt dabei die mediale Darstellung? Solchen Fragen widmet sich das Symposion „Krieg und Kriegsfolgen aus sozio- und psychoanalytischer Sicht“
am 27.
Oktober von 12:30 bis 19:30 Uhr
am
Sigmund-Freud-Institut; Myliusstr.20, 60323 Frankfurt/M.
Die Veranstaltung wurde
gemeinsam von der Goethe-Universität, dem Sigmund-Freud-Institut (SFI), der
Internationalen Universität für Psychoanalyse (IPU) Berlin und dem Hans Kilian
und Lotte Köhler-Centrum (KKC) an der Universität Bochum organisiert. Sie ist
Teil einer Veranstaltungsreihe zu Sozioanalyse und Psychoanalyse, die
abwechselnd in Bochum, Frankfurt und Berlin stattfindet und zudem verbunden mit
der Clusterinitiative ConTrust.
Zum Auftakt führt Prof. Vera
King in das Tagungsthema ein und verortet es in der Programmatik der
gesamten Veranstaltungsreihe. King ist Geschäftsführende Direktorin des
Sigmund-Freud-Instituts und Professorin für Soziologie und psychoanalytische
Sozialpsychologie an der Goethe-Universität sowie Principal Investigator in der
Clusterinitiative ConTrust.
Prof. Dr. Heinz Weiß,
Leiter des medizinischen Bereichs und der Ambulanz am Sigmund-Freud-Institut
sowie Chefarzt am Robert-Bosch-Klinikum Stuttgart, erläutert, wie die
Psychoanalyse sich immer wieder mit der Dynamik kriegerischer
Auseinandersetzungen befasst hat. Die Disziplin ist selbst in einer Zeit
epochaler Umwälzungen entstanden, ihre Protagonisten waren geprägt durch das
Erleben zweier verheerender Kriege, wie auch anhand von Sigmund Freuds Arbeit
„Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ (1915) sowie seinem Briefwechsel mit Albert
Einstein „Warum Krieg?“ (1932) nachgezeichnet wird. Weiß geht aber auch auf
neuere Konzepte ein, etwa auf psychische Dynamiken der Spaltung und Projektion
in Gruppenprozessen, beides in Zusammenhang mit Ideologiebildung und
Propaganda. Weiß' Beitrag wird kommentiert von Prof. Dr. Pawel Dybel vom
Institut für Philosophie und Soziologie an der Polnischen Akademie der
Wissenschaften Warschau und an der Pädagogischen Universität Krakau.
Prof. Dr. José Brunner, em.
Professor an der Buchmann-Fakultät für Rechtswissenschaften und am
Cohn-Institut für Wissenschafts- und Ideengeschichte an der Universität Tel
Aviv, hat seinen Vortrag mit dem Titel „Jenseits von Scham und Schuld?
Anmerkungen zum Leben im Israel-Palästina Konflikt“ überschrieben. Er geht
darin gewissen Verdoppelungen des Erlebens von Wirklichkeit nach, wie sie sich
typischerweise einstellen, wenn Krieg zum Alltag gehört. Am Beispiel Israels
arbeitet er kollektive und individuelle Abwehrmechanismen heraus, die in
Kriegssituationen wirksam werden. Brunner zeigt auf, wie die Abwehrmechanismen
ineinandergreifen und sich ergänzen und wie dabei Scham und Schuldgefühle aus
dem kollektiven Bewusstsein verdrängt werden. Der Vortrag wird kommentiert von Vera
King.
Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Professor
für Filmwissenschaft und Co-Sprecher der Clusterinitiative „Vertrauen im
Konflikt“ (ConTrust) an der Goethe-Universität spricht über mediale
Konfiguration bewaffneter Konflikte. Hybride Kriegsführung ist nach Hediger
auch eine Form der Kulturproduktion. Und Kommunikation wird in einem Konflikt
wie dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mehr
noch als in den bereits stark mediatisierten Kriegen des späten 19. und des 20.
Jahrhunderts als Waffe eingesetzt: Über Soziale Medien und teils auch in
traditionellen Massenmedien verbreiten die Kriegsparteien Erzählungen über den
Krieg, die am Krieg vermeintlich Unbeteiligte zum Publikum und das Publikum zur
Partei machen. Hediger analysiert insbesondere die Formen affektiver Ansprache und
Einbindung. Den Beitrag kommentiert Prof. Dr. Christine Kirchhoff,
Psychoanalytikerin und Professorin für Psychoanalyse, Subjekt- und
Kulturtheorie an der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin.
Prof. Dr. em. Karola Brede, Goethe-Univ. Frankfurt/M., Soziologin und
ehemalige Mitarbeiterin am Sigmund-Freud-Institut Frankfurt/Main, schließlich
spricht zum Thema „Verdrängung und Identifizierung: Über das Illusionäre im
Verhältnis zu Krieg und Grausamkeit“. Darin wirft sie die Frage nach der Aussetzung
des Tötungsverbots im Krieg auf. Sie erörtert die Unterschiede im Umgang damit
in den kriegsbeteiligten Ländern Russland und Ukraine, aber auch in
Deutschland. Welche kulturspezifischen Einstellungen zum eigenen Tod und dem
des jeweiligen Feindes liegen dem zugrunde? Ihr Beitrag wird kommentiert von Dr.
Pradeep Chakkarath, Kulturwissenschaftler und Co-Direktor des Hans Kilian
und Lotte Köhler-Centrums (KKC) sowie Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Sozialtheorie und Sozialpsychologie von Prof. Dr. Jürgen Straub, einem der
Mitinitiatoren der Veranstaltungsreihe, an der Ruhr-Universität Bochum.
Die Tagung findet statt im
Hörsaal des Sigmund-Freud-Institut, Myliusstr. 20 in Frankfurt/M., wobei sie
auch Online übertragen wird.
Teilnahme:
Die Veranstaltung findet sowohl
in Präsenz als auch online statt, allerdings sind nur noch Plätze für die
Onlinekonferenz verfügbar. Anmeldung: https://www.sigmund-freud-institut.de/index.php/anmeldeformular/
Veranstaltungsflyer zum
Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/127019823
Informationen:
Prof. Dr. Vera King
Professur für Soziologie und
Psychoanalytische Sozialpsychologie
Institut für Soziologie
E-Mail: king@soz.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de